(20.06.2012, 09:16)Thunder schrieb: Spricht denn etwas dagegen den Drehmeißel generell leicht über Mitte enzustellen ? (Da auch schon die Frage kam, warum ich das tue)
Hallo, Lars!
Der Grund, warum Innendrehmeißel oftmals leicht über Mitte eingestellt werden, liegt in der Elastizität des konstruktiv zwangsweise sehr lang eingespannten Innendrehmeißels. Auf die Schneide wirkt ein nicht geringer Schnittdruck, der die Schneide nach unten (Richtung Drehbankbett) drückt.
Wenn der Meißel exakt auf Mitte steht, bewirkt jede kleinste Bewegung der Schneide in Richtung Bett, dass die Schneide INS Material hineingedrückt wird. Der Vorgang verstärkt sich selbst, da der Schnittdruck noch größer wird, wenn die Schneide weiter ins Material wandert (Zustellung und damit Spanquerschnitt steigen!). Dadurch wird die gedrehte Bohrung größer!
Stellt man nun die Schneide über Mitte, dann wird sie, wenn sie durch den Schnittdruck nach unten gedrückt wird, AUS dem Material herausgedrückt. Dieser Vorgang beendet sich aber (theoretisch) von selbst, weil der Schnittdruck und damit die Auslenkung des Drehstahls sinken.
Je härter bzw. zäher das zu bearbeitende Material ist, desto größer ist der erforderliche Schnittdruck. Man wird also bei zähen und harten Materialien eher ÜBER Mitte spannen als bei butterweichen.
Die ganze Sache hat aber noch einen gewaltigen Haken:
Nur bei exakt mittiger Schneidenstellung stimmen die dem Drehstahl angeschliffenen Winkel. Jedes Spannen ÜBER Mitte verringert den Schnittwinkel. Abhängig vom Durchmesser der Bohrung kann plötzlich der Schnittwinkel gegen Null gehen oder gar negativ werden. Entsprechende Güteverluste der Oberfläche der Bohrung sind die Folge.
Die nachfolgende Zeichnung verdeutlicht die Änderung der Schnittgeometrie beim übermittigen Spannen:
Grüße, Rudi